Die Geschichte eines Mädchens, dem niemand helfen konnte. Bis jemand es tat.

 

 

Die Gründe, warum Kinder in das Kinderdorf Mbigili aufgenommen werden, sind ganz unterschiedlich. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Sie können nicht in ihren Herkunftsfamilien aufwachsen und finden deshalb im Kinderdorf ein neues, behütetes Zuhause.

 

Eines dieser Kinder ist Sara. So nennen wir sie in dieser Geschichte, um ihre Identität zu schützen.

 

Sara leidet an Diabetes Typ 1, einer chronischen Erkrankung, bei der die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr produziert. Insulin ist jedoch lebenswichtig. Es sorgt dafür, dass der Körper Kohlenhydrate aufnehmen und den Blutzuckerspiegel regulieren kann. Ohne die richtige Therapie steigt der Blutzuckerspiegel dauerhaft an und kann schwere Folgeerkrankungen und Infektionen auslösen. Als Sara ins Kinderdorf kam, war genau das bereits geschehen.

 

Sie war körperlich stark geschwächt, hatte starkes Untergewicht und litt bereits an mehreren durch die Erkrankung ausgelösten Infektionen. Vor ihrer Ankunft lebte sie bei ihrer Großmutter, in einem Dorf mehrere Stunden vom Kinderdorf entfernt. Schon einige Zeit zuvor war sie im Krankenhaus von Ilula, einer nahegelegenen Stadt, mit Diabetes diagnostiziert worden. Anfangs schlug die Therapie gut an, doch die Aussicht auf eine lebenslange Insulinbehandlung überforderte ihre Großmutter zunehmend. Saras Zustand verschlechterte sich, bis schließlich die Sozialarbeiterin des Krankenhauses eingeschaltet wurde. Sie war es, die den Kontakt zum Kinderdorf herstellte und so begann Saras neuer Lebensabschnitt.

 

Die ersten Wochen im Kinderdorf waren für alle eine Herausforderung. Sara war sehr ruhig, zurückhaltend, zog sich sozial stark zurück und hatte Mühe, sich in die neue Umgebung einzufinden. Gleichzeitig mussten auch die Hausmütter erst lernen, mit ihrer Erkrankung richtig umzugehen – denn die Insulintherapie in Tansania unterscheidet sich stark von der Versorgung in Ländern wie Deutschland. Wo hier Insulinpumpen oder -pens den Alltag erleichtern, bedeutet die Therapie dort: Zwei feste Insulinspritzen täglich, ein strikter Ernährungsplan mit kontrollierter Kohlenhydrataufnahme, regelmäßige Blutzuckermessungen und sofortige Reaktionen auf Werte, die außerhalb des Zielbereichs liegen.

 

Für das gesamte Team im Kinderdorf hieß das: dazulernen, Verantwortung übernehmen, mitdenken. Die Hausmütter, besonders die, die in der Küche arbeiten, lernten neue Rezepte ohne Zucker, aber voller Nährstoffe. Eine Handvoll Hausmütter wurde geschult, wie man den Blutzucker misst, Insulin richtig dosiert und spritzt. Schritt für Schritt entwickelten sich Routinen, und mit ihnen auch Saras Zustand.

 

Heute ist von dem kränklichen, in sich gekehrten Mädchen nichts mehr zu sehen. Sara hat Freundinnen gefunden, mit denen sie nachmittags spielt, lacht und kreativ wird. Besonders liebt sie es, Perlenarmbänder zu basteln. Mit der Gießkanne versorgt sie stolz die Blumen vor den Kinderhäusern, trägt sie ganz selbstverständlich durch den Garten. Sie tanzt mit Begeisterung im Unterricht, bringt Energie und Freude mit. Und sie erzählt begeistert von ihren Lieblingsfächern in der Schule, die sie seit Mai wieder besucht. Vor allem lacht sie viel, weil sie nun ihre Kindheit zurückerlangt hat, die nicht mehr in erster Linie von ihrer Erkrankungen und ihrem körperlichen Zustand bestimmt wird.

 

Was Sara heute zeigt, ist weit mehr als körperliche Kraft: Es ist Lebensfreude. Und genau darum geht es im Kinderdorf: Kindern die Chance zu geben, Kind zu sein!